Geschäftsführerhaftung

I. Allgemeine Pflichten

Die wesentliche Aufgabe als GmbH-Geschäftsführer besteht darin, die im Gesellschaftsvertrag festgelegten Gesellschaftsziele zu fördern. Dabei ist die "Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes" anzuwenden (§ 43 Abs.1 GmbHG).

Konkret treffen den Geschäftsführer als Organ der GmbH vor allem die folgenden gesetzlichen Pflichten:
 

- Pflicht zur Beachtung der Grundsätze der ordnungsgemäßen und verantwortungsbewussten Unternehmensführung. Der Geschäftsführer haftet z.B. bereits dann, wenn er Waren an ein bekanntes Unternehmen verkauft, ohne die Bonität des Käufers zu prüfen bzw. es unterlässt, die Lieferung entsprechend abzusichern. Zu unterlassen ist auch der Abschluss von Geschäften, die für die Gesellschaft erkennbar nachteilig sind. Sie sind ebenso eine Pflichtverletzung, wie eine Voranstellung der Eigeninteressen des Geschäftsführers vor Interessen der Gesellschaft.

- Pflicht zur Einhaltung des Wettbewerbsverbots

- Pflicht der Weisungen der Gesellschafter zu folgen ( Diese Verpflichtung gilt allerdings nur, sofern die Gesellschafter weder gegen die Satzung der Gesellschaft noch gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen, insbesondere nicht gegen die Vorschriften zur Kapitalerhaltung ).

- Pflicht zur Einführung, Einhaltung und Überwachung von Compliance-Richtlinien

- Pflicht, für eine ordnungsgemäße Buchführung zu sorgen (§ 41 GmbHG)

- Pflicht, den Jahresabschluss vorzulegen (§ 42a GmbHG)

- Pflicht zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH (§ 34 Abgabenordnung)

- Pflicht zur Einhaltung der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften.

- Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung, wenn es im Interesse der GmbH nötig ist (§ 49 GmbHG), z.b. wenn sich aus der Bilanz ergibt, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist.

- Pflicht zur Einhaltung der Regeln zur Kapitalerhaltung. (§§30, 33 GmbHG)

- Pflicht zur Beantragung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (§ 64 GmbH)


Verstößt der GF gegen diese Pflichten, kann er sich schadenersatzpflichtig und strafbar gemacht haben. Er haftet der Gesellschaft dann auf Schadensersatz (Innenhaftung).

Aus diesen Pflichtverletzungen kann aber auch eine Außenhaftung resultieren. So haftet der Geschäftsführer persönlich dem Finanzamt für die ordnungsgemäße Abführung der Steuern und der Sozialversicherung für die ordnungsgemäße Abführung der sozialversicherungs- rechtlichen Leistungen. Gegenüber anderen Dritten kommt eine Haftung immer dann in Betracht, wenn gegen Schutzgesetze im Sinne von § 823 II BGB verstoßen wird, beispielsweise bei Betrug, Subventionsbetrug oder bei Verletzung der Insolvenzantragspflicht.

II. Pflichten des Geschäftsführers in der Unternehmenskrise:

In der Krise werden an den Geschäftsführer deutlich höhere Anforderungen gestellt, besonders im Hinblick auf Überwachungspflichten. Mit dem Eintritt der rechtlichen Krise beginnt für GmbH-Geschäftsführer ein enormes zivilrechtliches und strafrechtliches Haftungsrisiko.

Grundsätzlich wird eine Krise angenommen, wenn die GmbH kreditunwürdig ist, d. h. sie ist entweder überschuldet oder erhält von Dritten keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen mehr, und sie müsste ohne Zuführung von finanziellen Mitteln liquidiert werden.

1. Überwachungspflicht

Der Geschäftsführer muß ein System einrichten, das es ihm ermöglicht, alle für die wirtschaftliche Lage der GmbH erforderlichen Daten zu übersehen. In der Krise ist besonderes Augenmerk auf das Liquiditätsmanagement (Liquiditätsplanung und Liquiditätskontrolle) zu legen. Der GF hat regelmäßig zu prüfen, ob ein Insolvenzgrund vorliegt.

Zahlungsunfähigkeit:

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn das Unternehmen nicht nur vorübergehend seine fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen kann. Können die Zahlungen innerhalb von drei Wochen erfüllt werden, spricht man von einer Zahlungsstockung.

Zur Prüfung der Zahlungsunfähigkeit ist ein Finanzstatus zu erstellen. In diesem sind die liquiden verfügbaren Zahlungsmittel den fälligen bzw. fällig werdenden Verbindlichkeiten andererseits gegenüberzustellen.

Ist die Liquiditätslücke kleiner 10 % der Gesamtverbindlichkeiten besteht keine Zahlungsunfähigkeit, es sei denn, die Vergrößerung der Liquiditätslücke ist absehbar. Ist die Liquiditätslücke größer 10 % der Gesamtverbindlichkeiten besteht Zahlungsunfähigkeit, es sei denn, es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Beseitigung der Liquiditätslücke zu erwarten.

Überschuldung:

Laut InsO liegt eine Überschuldung vor, „wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.“


2. Sanierungspflicht

Der GF muss in der Krise einen Sanierungsplan erstellen und prüfen, ob die Gesellschaft noch sanierungsfähig ist.

3. Sofortmaßnahmen können sein

-
Forderungsmanagement, insbesondere verstärktes Eintreiben von Außenständen;

- Kapitalzufuhr durch (neue) Gesellschafter, z. B. Einzahlung in Rücklagen, Finanzplandarlehen, neue Teilhaber;

- Senkung von Betriebskosten;

- Abbau von Lagerbeständen;

- Verhandlung mit Geschäftspartnern und Banken über Stundung, Forderungserlass etc.


4. Schutz des Stammkapitals

Das zur Erhaltung des Stammkapitals der GmbH erforderliche Vermögen darf zu keiner Zeit an die Gesellschafter ausgezahlt werden.

Der Geschäftsführer haftet neben dem Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft für Verstöße gegen dieses Zahlungsverbot. Die Haftung ist auf die Wiederauffüllung des Stammkapitals, also Beseitigung der Unterbilanz, gerichtet.

Seit November 2008 liegt kein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungspflicht mehr vor, wenn bzw. soweit die Auszahlung
durch einen vollwertigen und durchsetzbaren Anspruch auf Gegenleistung oder Rückgewähr gedeckt ist oder aufgrund eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags erfolgt. Hiermit sollte das sog. Cash-Pooling ermöglicht werden. In der Krise bedeutet diese Form der Innenfinanzierung von faktischen Konzernen aber ein ganz erhebliches Haftungsrisiko für die beteiligten Geschäftsführer.


5. Pflicht zur Masseerhaltung

Nach Eintritt der Insolvenzreife dürfengrundsätzlich keine Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen mehr erbracht werden, die die Masse schmälern und dadurch die Insolvenzquote der Gläubiger in einem späteren Insolvenzverfahren verringern würden. Mögliche Ausnahmen: z. B. Zahlung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, Leistungen aus dem Vermögen der Gesellschaft die erforderlich sind, um einen sofortigen Zusammenbruch der Gesellschaft zu verhindern, um dadurch sanierungsmöglichkeiten zu erhalten.


6. Sozialversicherungsbeiträgen / Steuerverbindlichkeiten

Der Geschäftsführer ist dafür haftbar, dass die Gesellschaft die Sozialversicherungsbeiträge fristgerecht abführt und ihren steuerlichen Verpflichtungen nachkommt.


7. Amtsniederlegung

Der Geschäftsführer kann grundsätzlich jederzeit sein Amt niederlegen. Er darf sein Amt allerdings nicht zur Unzeit beenden. Um den Pflichten des Geschäftsführers in Krise und Insolvenz und damit Haftungsgefahren zu entgehen, hilft lediglich die Amtsniederlegung vor Eintritt der Insolvenzreife.


8. Insolvenzantragspflicht


Bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ohne mittelfristige Zahlungsmöglichkeit bestehen Antragsrecht und Antragspflicht grundsätzlich für jeden Geschäftsführer, auch wenn er nicht alleinvertretungsberechtigt ist.


III. Haftung des Geschäftsführers in der Unternehmenskrise

1. Persönliche Haftung

Die Verzögerung des Insolvenzantrags über die gesetzliche Frist hinaus ist eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers. In der Krise handelt der Geschäftsführer bereits dann pflichtwidrig, wenn er nicht in der Lage ist, selbst die Insolvenzreife zutreffend zu beurteilen und es unterlässt, sich fachkundig beraten zu lassen.

Um sich im Falle einer Inanspruchnahme entlasten zu können, sollte der Geschäftsführer seine Handlungen und seine Entscheidungsfindung stets gut dokumentieren.

2. Haftung gegenüber den Gesellschaftern

Grundsätzlich haftet der Geschäftsführer nur gegenüber der Gesellschaft und nicht gegenüber einzelnen Gesellschaftern. Ausnahmsweise kann es zu einer Haftung des Geschäftsführers gegenüber Gesellschaftern kommen, insbesondere bei Verletzung von Kapitalschutzvorschriften, Pflichtverletzung bei Auskünften gegenüber Gesellschaftern oder der Rechnungslegung (Buchführungs- und Bilanzierungspflichten).

3. Haftung gegenüber den Gläubigern der GmbH

Die Haftung des Geschäftsführers ist prinzipiell auf das Innenverhältnis gerichtet. Im Außenverhältnis haftet die GmbH gegenüber Dritten für das Fehlverhalten ihres Vertretungsorgans, kann jedoch Ersatzansprüche gegen ihren Geschäftsführer geltend machen. In bestimmten Fällen kann es allerdings zu einer unmittelbaren Haftung der Geschäftsführer gegenüber Gläubigern der GmbH kommen. In der Krise der GmbH liegt ein solcher Fall vor, wenn der Geschäftsführer seinen Pflichten zur Insolvenzantragstellung nicht bzw. nicht rechtzeitig nachkommt. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Alt- und Neugläubigern:

Altgläubiger, deren Ansprüche vor Eintritt der Insolvenzreife entstanden sind:

Anspruch auf Ersatz des Quotenschadens: Differenz zwischen tatsächlich erlangtem Erlös und Erlös, den sie bei rechtzeitiger Antragstellung erhalten hätten.

Neugläubiger, deren Ansprüche nach Eintritt der Insolvenzreife entstanden sind:

Anspruch auf Ersatz des so genannten negativen Interesses: Neugläubiger ist so zu stellen, als wenn er gar nicht erst mit der GmbH in Geschäftsbeziehung getreten wäre.

4. Haftung für Sozialversicherungsbeiträge

In der Krise ist der Umgang mit der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Geschäftsführer schwierig. Der Geschäftsführer ist der Masseerhaltung verpflichtet. Andererseits kann man sich strafbar machen, wenn Arbeitnemeranteile zur Sozialversicherung nicht abgeführt werden. Die neuere zivilrechtliche Rechtsprechung löst nun diesen Konflikt. Das Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen in der Krise führt nicht länger zu einem Verstoß gegen das Zahlungsverbot.

5. Haftung für Steuerverbindlichkeiten

Der Geschäftsführer haftet persönlich auf Ersatz von Steuerverbindlichkeiten der GmbH, sofern Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis schuldhaft nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Praxisrelevant ist vor allem die Haftung für nicht bezahlte Umsatzsteuer oder Lohnsteuer. Für die Umsatzsteuer gilt der Grundsatz der gleichmässigen Tilgung.
Bei der Lohnsteuer gilt dieser Grundsatz nicht. Einbehaltene Lohnsteuer ist spätestens am 10. Tag nach Ablauf des Lohnsteueranmeldezeitraumes fällig. Reichen die zur Verfügung stehenden Mittel nicht aus, dürfen die Nettolöhne nur gekürzt
ausgezahlt werden.

6. Strafrechtliche Haftung

In der Krise besteht ein besonders hohes Risiko sich strafbar zu machen, aber auch sonst ist die Funktion eines Geschäftsführers haftungsträchtig. Einige Beispiele:

6.1 Insolvenzverschleppung

Insolvenzverschleppung liegt vor, wenn der Geschäftsführer bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Wochen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt.

6.2 Bankrottdelikte

Strafbar ist z.B das Beiseiteschaffen von Gesellschaftsvermögen, wie z. B. Teile des Anlagevermögens aber auch von Kundenkartei oder Kundenstamm. Ebenso das Verheimlichen von Vermögensgegenständen oder der Verstoß gegen Buchführungs- und Bilanzierungspflichten.

6.3 Gläubigerbegünstigung

Eine Gläubigerbegünstigung liegt vor, wenn ein Gläubiger im Vergleich zu anderen bevorzugt wird. Dies ist z.B der Fall, wenn er ihm eine Erfüllung oder Sicherung seiner Forderung zukommen lässt, auf die er keinen Anspruch hat. Dies kann schon dann der Fall sein, wenn der Gläubiger die Leistung gar nicht beanspruchen kann, oder nicht in dieser Weise oder nicht zu dieser Zeit beanspruchen kann.

6.4 Untreue

Untreue bedeutet Missbrauch von Rechten mit der Folge eines Vermögensnachteils. Möglichkeiten zu Tatbestandsverwirklichung gibt es viele. Typisch sind: fehlgeschlagene Risiko- oder Spekulationsgeschäfte oder verdeckte Gewinnausschüttungen.

6.5 Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

Strafbar kann man sich als Geschäftsführer auch dann machen, wenn man Beiträge der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung bei Fälligkeit nicht abführt. Maßgeblich ist, ob die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung hätten gezahlt werden können, als noch Liquidität vorhanden war. Ausnahme nur während der dreiwöchigen Insolvenzantragsfrist, wenn Sanierungschancen bestehen.


7. Enthaftung oder Versicherung

Die Haftung des Geschäftsführers kann nachträglich durch einen Entlastungsbeschluss der Gesellschafter ausgeschlossen werden. Allerdings kann sich die Enthaftung nur auf bekannte Umstände beziehen. Eine Befreiung von Ansprüchen Dritter oder von Strafverfolgung kann so aber nicht erzielt werden.

 

 

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